Ausstellungseröffnung

Exit 09

Johann Berger, 2009

 

Sehr geehrte Damen und Herren

Heute gibt es viel zu gratulieren und zu beglückwünschen. Dazu gehört die Gratulation zu jener Idee, die Ausstellung der Absolventinnen und Absolventen der Kunstschule hierher, auf die Adresse Moissigasse 21 zu bringen. Auf mehrfache Weise wird durch diese intelligente Ortswahl der Bezug zu interessanten Diskursen aus der Kunst gewahrt. Sogar die Banalität der zufälligen Adressierung paßt in ein Gefüge, auf das ich Sie aufmerksam machen darf. Alexander Moissi war ein (man sagt, mit italienischem Akzent sprechender) Burgschauspieler, der in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts ein Weltstar gewesen ist.

Also in der Zeit, als Freud die Psychoanalyse begründet und sich unter anderem mit seinem Schüler Alfred Adler verwirft. Doch dazu einen Atemzug später.

Moissi ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie segensreich die Fähigkeit sein kann, aus einem Mangel – dem unüberhörbaren Akzent – eine Tugend erwachsen zu lassen, hier also eine unverwechselbare Sprechweise. Adler könnte an ihn gedacht haben, als er seine Theorie von der Überkompensation entwickelte.

Moissi feierte seine Bühnentriumphe unter anderem als Hamlet, Romeo, Faust, Jedermann. Wie steht es in der online-Enzyklopädie? Die grüblerischen, zerrissenen Charaktere, dem Tod zugeneigt, lagen ihm besonders. Der Tod war sein Markenzeichen. Denn keiner starb auf der Bühne so oft und so vollendet schön wie Moissi, er führte das Sterben „als individuelle Kunst“ vor.

Und ist damit einem Publikum begegnet, das die barocke Ambivalenz von Lebenskunst und Todessehnsucht, von Ars vivendi und ars moriendi bis ins Heurigenlied hinein zu zelebrieren wußte und wohl noch immer weiß. Wer immer sich auf dem Terrain der Künste bewegt, wird – zumal in Wien – mit dem larmoyant-ironischen Habitus des Scheiterns angesichts irdischer Nichtigkeit konfrontiert sein. Das ist ein guter Boden für Karrieren in der Kunst, wer die Spielregeln des kunstvollen Scheiterns ausreichend beherrscht, wird mit einer Professur an der einen oder anderen Akademie belohnt.

Deshalb gefällt mir dieser Ort für diese Ausstellung so besonders gut. An ihm haftet nicht der Geruch chtonischen Dünkels. Er atmet – nicht trotz, sondern wegen der spürbaren Macht der Zeitläufte – Lebensfreude. Lassen wir also die Moissis unserer Tage in welchen Künsten auch immer das Sterben als individuelle Kunst vorführen und freuen uns mit den Künstlerinnen und Künstlern über diesen gelungenen Schritt aus der Schule hinaus in das Berufsleben des Kunstschaffens hinein. Was sie alle uns zeigen, zeugt von einem inspirierenden Klima in der Lazarettgasse 27, zeugt von anspruchsvollen Diskursen auf der Höhe der Gegenwart und vom intelligenten und souveränen Gebrauch der künstlerischen Techniken. Beides ist nicht selbstverständlich und für beides ist nicht zuletzt dem Team der an diesem Haus Unterrichtenden zu gratulieren und wohl auch der Leitung, Gerhard Hermanky.

Sehr geehrte Damen und Herren, mit großem Vergnügen würde ich Ihnen nun gerne die Arbeiten der ausstellenden Künstlerinnen und Künstler mit einigen würdigenden Sätzen nahebringen. Ich fürchte nur, damit den Rahmen einer Eröffnungsrede zu sehr zu strapazieren. Schauen Sie also – unbelastet von der grauen Theorie des Eröffnungsgeredes – hinter die Fassade eines burgenländischen Bordells, konfrontieren Sie sich mit Klangperformances, Projektionen und dem traditionellen Gebrauch des Kokablattes. Erleben Sie die erstaunliche Aktualität so alter Medien, wie es die Radierung, der Holzschnitt und die Lithographie sind, jedenfalls wenn sie glücklicherweise in die Hände der hier ausstellenden Grafikerinnen und Grafiker geraten; begegnen Sie dem inspirierenden Corporate Design eines Mode-shops und der gar nicht leichten Wahrheit über die Abgründe des Unbewußten oder die versunkene Welt der Kelten. Erkunden Sie, was geschieht, wenn veganes Kochen zum Gegenstand von Grafik Design wird, konfrontieren Sie sich mit den Lebens- oder Überlebensstrategien in institutioneller Verwahrung, glauben Sie nicht alles, was in Büchern steht und fürchten Sie sich vor Terror Teenies.

Vor allem aber: erleben Sie hier einen heiteren und inspirierenden Nachmittag und Abend und freuen Sie sich mit den Künstlerinnen und Künstlern über diesen erfolgversprechenden Schritt in eine Zukunft als Künstlerin, als Künstler. Dafür wünschen wir ihnen, den Absolventinnen und Absolventen der Kunstschule, alles Gute.

Johann Berger

E: johannberger@chello.at
T: 0043-676-416-06-20