2003 01 27
Sehr geehrte Damen und Herren,
den Herbert Pasiecznyk muß der Teufel geritten haben, als er mich gebeten hat, heute zu Ihnen über seine Kunst zu sprechen. Das kann nichts Vernünftiges, Logisches werden, das weiß seit Kant jeder, denn in seiner „Analytik der Ästhetischen Urteilskraft“ schreibt der preußische Philosoph im ersten Paragraphen, daß ein Urteil über das Ästhetische „nicht durch den Verstand auf das Objekt zum Erkenntnisse (hier also die Kunst H.Ps, Anm.d.V.), sondern durch die Einbildungskraft (vielleicht mit dem Verstande verbunden) auf das Subjekt und das Gefühl der Lust oder Unlust desselben“ entstehen muß.
Anders gesagt: wer Kunst zu würdigen, zu kritisieren, zu beurteilen, zu kategorisieren hat, redet mehr über sich selbst denn über die Kunst. So etwas weiß er natürlich, der Herbert, ist er doch auch ein sehr beredter Liebhaber der Kunst und ihrer Geschichte, der noch dazu als Lehrer diese Liebe in seinen Schülerinnen und Schülern zu wecken und zu fördern vermag. Obwohl er weiß, wie es um die Versuchungen und Verwirrungen in der Rede über die Kunst steht, hat er mich, der ich in meinem Brotberuf die Produkte eines Wirtschaftsverlages auf die Welt zu bringen habe, um diese Zeilen gebeten. Also nähere ich mich sui generis der Kunst über den Kunstmarkt.
Auf dem Marktplatz der Kunst gibt es vier Berufsgruppen:
● die Produzenten. Ihr Job ist es, Kunstwerke herzustellen.
● die Experten. Sie reden über die Kunstwerke.
● die Händler, die dem Leitspruch „buy low, sell high“ zu folgen haben.
● die Archivare, das sind die privaten und institutionellen Sammler, für deren Geld das ganze Spektakel veranstaltet wird.
Das Problem ist: die Berufsbilder sind extrem unscharf, die Grenzen – so sie überhaupt wahrnehmbar sind – durchlässig. Dazu ein Beispiel, der Künstlerkurator. Das ist eine Erfindung jener Künstlerpersönlichkeiten (damit erspare ich mir und Ihnen das große I), die sich nicht von den TheorieproduzentInnen (geht nicht immer) bevormunden lassen wollen und sich ihre Ausstellungen samt Katalogtext selbst gestalten. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn spätestens seit Vasari wurde und wird die abendländische Kunstproduktion von einer Theorieproduktion begleitet, die manche Beobachter als Logorrhoe bezeichnen. Die meisten Karrieren im Kunstbetrieb kamen und kommen als Tandem daher. Kunst- und Theorieproduktion strampeln sich gemeinsam durch das schwierige Gelände. Wenn alles gut geht, wird der eine Museumsdirektor und kann die Arbeiten des anderen, für den er Katalogtexte und Eröffnungsreden erfunden hat, für seine Depots ankaufen. Oder einer wird Professor an der einen Kunstakademie und der andere Rektor an einer anderen, man kann einander dann herrlich zu mehr oder weniger gut dotierten Veranstaltungen einladen. Das Konstrukt des Künstlerkurators stellt den Versuch eines Einpersonentandems dar. Sie merken es schon, das Spielfeld der Kunstfertigkeit hat sich bereits von den klassischen Disziplinen wie Malerei, Grafik, Bildhauerei usw. auf ein artistisches Terrain verlagert, in der Kunstproduktion mehr mit den Fertigkeiten der Werbe- und Marketingstrategen zu tun hat als mit den altehrwürdigen Kenntnissen eines Wehlte oder Doerner.
Aber das ist ja die klassische Aufgabe der (verzeihen Sie den atavistischen Begriff) Avantgarde: über die Grenzen zu gehen, der Kunst, dem Kunstschaffen neues Terrain zu eröffnen (und damit dem Kunstmarkt neue Marktnischen und uns neue Herausforderungen). So wurde und wird aus dem Werkstoff der Banalität Kunst, weil der gelungene Kunstgriff uns ins Staunen bringt, sei es über einen Bund Spargel, sei es über die simple Tatsache, daß eine gemalte Pfeife keine Pfeife ist, sei es über ein sportliches Cabrio vom Fließband, das nun im Museum steht.
Oder über bunten Staub, der auf Leinwand klebt.
Jetzt ist Zeit für einige Worte des Künstlers.
Staub und Worte
Des Atems Länge ist mein Versmaß
Wasser Staub und Leim der Werkstoff
auf grobem gekörnten Papier
der Farbauftrag mit leichter Hand
die verlorenen Worte zu suchen
ist die Pflicht
keine Worte im Elfenbeinturm
Bilder sind nur Staub und Leim
Herbert Pasiecznyk setzt Worte so sicher aneinander wie die Farbflächen auf seinen Bildern. Lyrik und Malerei, Wort und Farbe tragen seine unverwechselbare Handschrift, zeugen von einer Authentizität, die in einem Kunstbetrieb der computergenerierten Installationen fast provozierend anachronistisch wirkt. Darin liegt seine spezifische Avantgarde. Während die hektische Betriebsamkeit der Moden und Eitelkeiten, der Biennalen, Messen und Marotten uns Kunstinteressierten um die Köpfe saust wie ein überdimensionierter Werbeblock vor dem Hauptprogramm, malt Herbert Pasiecznyk Stille. Während die Piktorrhoe in visuellem Gekreisch um das wertvollste Gut der Gegenwart buhlt, um unsere Aufmerksamkeit und doch nur unsere Zerstreuung bedienen kann, bieten uns seine Arbeiten ganz im Gegensatz dazu jenes unaufgeregte Terrain, in dem ein ruhiger Augenblick zur Welt kommen kann. Haben Sie schon bemerkt, von woher Ihnen diese Farben in seinen Bildern vertraut sind? Suchen Sie eine helle Lichtquelle und sehen Sie mit geschlossenen Augen dorthin! Vielleicht erkennen Sie in diesen Bildern aus Rottönen und aufblitzendem Blau das Farbspektrum jener Bilder wieder, denen Sie hier begegnen. Vielleicht kann man sagen: wer mit offenem Blick seiner Malerei begegnet, lernt von Herbert Pasieczniyk das Schauen mit geschlossenen Augen. Vielleicht liegt in dieser Malerei eine aktuelle Form jenes Delphi’schen Imperativs: gnothi seauton – Erkenne Dich selbst!
Darin ist er ein Avantgardist: seine Kunst ist radikal, weil sie auf die Wurzeln verweist. Er ist ein Bruder des archaischen Künstlers, dessen Bildformat – sei es auf einer prähistorischen Höhlenwand, sei es in den Sandbildern Australischer Ureinwohner – einen heiligen Bezirk umreißt. Selbstbewußt kann er sagen: „Ich weiß, daß jedes Bild ein eigener Kosmos ist.“
Aus meinem Brotberuf weiß ich, für den Experten ist die Befindlichkeit der Wirtschaft in den Aktienkursen ablesbar. Ob eine Aktie günstig bewertet ist, erfährt man über das Kurs-Gewinn-Verhältnis, das KGV. Der Kurs der hier ausgestellten und käuflichen Bilder kommt einem Geschenk gleich. Sie kaufen ein Bild und bekommen einen Kosmos. Was für ein KGV! Nutzen Sie diese beispiellose Chance!
E: johannberger@chello.at
T: 0043-676-416-06-20