evelin schmidt
w. wie. wasserwelten.
Zwei Ereignisse haben scheinbar nichts miteinander zu tun. Das eine: In New York arbeiten Künstler an einer revolutionären Art zu malen und ein Kunstkritiker beschreibt dieses Vorhaben. Das andere: in Villach wird ein Kind geboren.
Was in den folgenden Jahrzehnten geschieht, verbindet beide Ereignisse, als ob durch das, was in New York damals getan, gedacht, gesagt, geschrieben – also veröffentlicht worden ist, etwas in Fluß geraten sei. Als ob sich dieses Neue gleichsam in Wellen ausbreitet, gelegentlich aufschäumt; einlädt, sich in diesem Strömenden treiben zu lassen; oder wie eine Naturgewalt mitreißt. Denn aus dem Kind ist eine Künstlerin geworden. Und sie pflegt diese Revolution aus den New Yorker Ateliers auf jene sanfte und kultivierte Art, die aus einer ungestümen Revolution eine gepflegte Tradition werden läßt.
Die Arbeitsweise von Evelin Schmidt hat der Kunstkritiker Harold Rosenberg vor fünfeinhalb Jahrzehnten beschrieben, als er die Künstlergeneration um Jackson Pollok beobachtet. Die Bildfläche erschien ihm hier als Arena, in der sich eine Aktion entfaltet. An die Stelle des imaginierten Bildes, das aus dem Kopf des Künstlers auf die Leinwand zu übertragen ist, an diese Stelle tritt ein Ereignis. In dieser Aktion trifft Farbe auf Leinwand. Das Bild ist das Ergebnis dieses Zusammentreffens.
Wenn heute Evelin Schmidt das Material aufeinander treffen läßt, ist das Figurale bedeutungslos, nicht intendiert – wie in der einst revolutionären Geste expressiver Abstraktion. Es entspringt nicht ihrer Malerei sondern allenfalls der Wahrnehmung des Betrachters. Vielmehr geht es ihr darum, die Bildelemente zu verbinden und damit jenes Mehr zu erzwingen, das über die Summe seiner Teile hinausragt. Und es geht um die Farbe, um jenes Zusammentreffen von Farbqualitäten, die einander steigern, zum Erstrahlen bringen.
Seit etwa zehn Jahren widmet sich Evelin Schmidt der Malerei in wachsender Intensivität. Sie ist davor schon dem Aquarell begegnet. Doch mit der Ölmalerei und dann mit Acryl hat sich dieser Prozeß verdichtet. Nun findet sich in den Malereien auch Graphisches, das an Notationen erinnert, zuweilen mit der Spitze des Pinselgriffs in die nasse Frabe gezeichnet. Wer sich davon verführen läßt und hinter der Form ikonographische Konvention sucht, hat die Lektion nicht verstanden.
Und dennoch: die alte Rivalität zwischen dem Naturschönen und dem Kunstschönen taugt der Künstlerin noch allemal als Provokation. Ihre Themen wie „Eis“ oder „Wasser“ begleiten sie als Herausforderung, der sie ihre Werkgruppen verdankt. Oder: Knapp unter der Wasseroberfläche im Roten Meer zu schnorcheln – das ist eine visuelle Erfahrung, die für das Malen eine Vorgabe bietet. Sich an solchen Vorgaben zu messen, braucht Mut – auch den Mut zum Scheitern. Doch auch darin liegt eine motivierende Kraft, bestätigt die Künstlerin: „Zorn ist für mich oft ein Motor.“
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