Vortrag 2009

AUVA-Tagung 2009

 

Das KULTivierte Unternehmen – 
eine philosophische Betrachtung

Mag. Dr. Johann Berger, GEWINN-Verlag, Wien, Österreich

 

Die Betrachtung, sehr geehrte Damen und Herren, ist eine gefährliche Übung, weil ihr das lateinische tractare1 zugrunde liegt, das ja nicht nur mit „untersuchen“ zu übersetzen ist, sondern auch mit „herumzerren“. Ich habe – dem vorgegebenen Thema folgend – philosophisch, also weisheitsliebend herumzuzerren.

Nun soll also der Gegenstand dieser Anstrengung das kultivierte Unternehmen sein, also die „sorgsame Pflege, die Verfeinerung (der Sitten)“2, worauf der Begriff der Kultivierung verweist. Das Gegenteil dessen, was die selbstbewussten Bürger der antiken Stadtstaaten Griechenlands als Barbarei bezeichnet haben.

Aber auch die Barbaren kannten streng geregelte Gottesdienste, also Kulte, was durch die Schreibweise im Titel dieser Betrachtung einen Verdacht nahelegt: Das barbarische Unternehmen hat einiges mit dem kultivierten Unternehmen gemeinsam. Das ist übrigens ein Gedanke, den Erich Kästner3 1932, auf dem Höhepunkt der damaligen Wirtschaftskrise, in seinem Gedicht „Die Entwicklung der Menschheit“ so pointiert formuliert hat:

Einst haben die Kerls auf Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
und die Welt asphaltiert und aufgestockt
bis zur dreißigsten Etage.
Da sitzen sie nun, den Flöhen entflohn,
in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon.
Und es herrscht noch genau derselbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen.

Wollten wir ihm in seinem misanthropischen Befund folgen, wir wären heute mit einer – zugegeben gut – verkleideten Barbarei konfrontiert, sozusagen mit einer im Nadelstreif. Doch dem nachzugehen möge das Geschäft Berufenerer bleiben. Wir wollen uns hier gewinnbringenderen Betrachtungen zuwenden, ohne auf die globale Dimension zu vergessen, in die jedes noch so kleine Unternehmen hineingestellt ist.

Diese Dimension unternehmerischer Tätigkeit sei als Makro-Ebene bezeichnet. Hier geht es um Währungsparitäten, Rohstoffreserven, Konjunkturpakete, Kondratjew-Zyklen und das, was drei Jahre, nachdem Kästner sein Gedicht geschrieben hatte, als „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ von John Maynard Keynes vorgelegt worden ist. Die von der OECD publizierten „Main Economic Indicators“ bieten das Zahlenmaterial dazu.4
Auf der Meso-Ebene entfaltet sich die betriebswirtschaftliche Praxis.
Und die Mikro-Ebene erleben wir alle im individuellen Ereignishorizont des persönlichen Berufsalltags.

Dieses dreigeschossige Modell darf ich Ihnen anbieten, weil es den Begriff der Unternehmenskultur umreißen helfen könnte. Sie bemerken, das Modell unterscheidet sich von jener klassischen Trias aus Unternehmenszielen, Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenorientierung, die üblicherweise zur Beschreibung herangezogen wird und prägnant formuliert, operationalisierbar, und auf meßbaren Größen basierend, in seiner Nützlichkeit auch gar nicht anzuzweifeln ist.5

Die Herausforderung ist es aber, JENE kulturprägenden Größen wahrzunehmen, die sich der Beobachtung und noch mehr der Quantifizierung entziehen. Der im Titel hervorgehobene Kult-Aspekt verweist uns auf Rituale, Tabus und Unternehmensmythen, unausgesprochene Regeln, Werte, Annahmen, Überzeugungen, die das Zusammenleben und Zusammenarbeiten prägen, meist jenseits der bewussten Wahrnehmung.

Ich darf Ihnen dazu eine für mich nicht schmeichelhafte Anekdote anbieten:

Die Branche, in der ich mein Brot verdiene, ist so alt wie der Buchdruck. So ist auch unsere Sprache alt und dem entsprechend erfrischend unkorrekt. Von Schusterbuben ist die Rede und von Hurenkindern. Ein Terminus aus diesem alten Vokabular ist der Verheber. Er bezeichnet einen Mißgriff, der ein Textstück an falschem Ort positioniert und den Sinn des Textes entstellt. Wir fürchten ihn also, den Verheber. Wir mussten jüngst einen beklagen, ausgerechnet in einem Beitrag des Chefs.

Zu meinen unerfreulichen Aufgaben gehört es, den Ursachen von Fehlern nachzuspüren. Der Erlebnishorizont dieser Aufgabe ist angefüllt mit Argumenten und Beteuerungen der handelnden Personen, warum er oder sie nicht an diesem Fehler schuld sind. Schuld. Dabei geht es überhaupt nicht um die moralischen Kategorien von Schuld und Unschuld, es geht darum, wo Fehlerquellen sind und wie man dieselben durch kleinere oder – Gott bewahre – größere organisatorische Hilfen entschärfen kann.

Wenn sich aber die Moral der Schuldfrage zwischen Ursache (= Fehlerquelle) und Wirkung (= Fehler) zwängt, wird dieses mein Bemühen behindert. Zwischen dem Phänomen des Fehlers und der meist simplen Lösung des Problems hat sich nun ein Gebirge aus Ängsten, Scham, verletzter Eitelkeit und weiteren Befindlichkeiten aufgebaut, das jene – von mir nie gestellte, aber reflexartig projizierte – Schuldfrage hervorbringt. Damit wird deutlich, wie sehr die Rationalität von Arbeitsabläufen von unausgesprochenen Werten und Annahmen überlagert ist.

Willkommen auf der Mikroebene meines Unternehmenskulturmodells! Was wir im Repertoire unserer Lebenswelten angesammelt haben, definiert den Handlungsspielraum unseres Daseins – am Arbeitsplatz und darüber hinaus. In der Summe der Lebenswelten wird dann ein „common sense“ wirkmächtig, ein „Esprit de Corps“. Er definiert das Profil der Unternehmenskultur. Beispielsweise wenn sie mehr an Schuldfragen oder mehr an Fehlerfragen ausgerichtet ist – worüber heute um 16 Uhr 35 Professor Musahl sprechen wird.

Mit dem Verweis auf das Schuldempfinden öffnen wir die Türe zum Pandämonium aus Triebkräften einen Spaltbreit. Mehr braucht es nicht, um uns zu vergegenwärtigen, welche Hypotheken aus den individuellen Biographien bis in die marginalsten Augenblicke des beruflichen Lebens hinein wirken.

Für das Verständnis dieser Hypothek bieten Aleida und Jan Assmann eine Theorie des Gedächtnisses an, die drei Dimensionen kennt: Das kommunikative Gedächtnis, das Bindungsgedächtnis und das kulturelle Gedächtnis.

Das „kommunikative Gedächtnis“ geht aus dem Verkehr der Menschen untereinander hervor. „Dabei spielen Affekte die entscheidende Rolle. Liebe, Interesse, Anteilnahme, Gefühle der Verbundenheit, der Wunsch dazuzugehören, aber auch Hass, Feindschaft, Misstrauen, Schmerz, Schuld und Scham geben unseren Erinnerungen Prägnanz und Horizont.“7 Also ein breit gefächertes Pandämonium von Gemütsbewegungen ist zugang und bringt Erinnerung – und damit eine der konstituierenden Kräfte von Unternehmenskultur – hervor.

Zu diesen Kräften zählen Aleida und Jan Assmann das Bindungsgedächtnis als soziogene Kraft. Das über den Augenblick hinaus verbindliche, einzuhaltende Versprechen, die Übereinkunft ist kulturbegründend. Es kann dabei eine durchaus auch schmerzhafte Erinnerungsqualität zeigen. Denken sie nur an blutige Initiationsriten oder traumatische Erlebnisse. Nun werden schmerzhafte Initiationsriten wie beispielsweise Tätowierungen wohl selten zur Unternehmenskultur moderner Firmen zählen, doch in manchen Lehrberufen haben sich Bräuche erhalten, in denen atavistische Traditionen durchschimmern, beispielsweise das Gautschen, mit dem Druckerlehrlinge in den Gesellenstand aufgenommen werden.

Der Begriff des „kulturellen Gedächtnisses“8 schließlich unterstützt ein Verständnis für die Genese von verhaltenskonstituierenden Umfeldbedingungen. Hier haben wir es mit Erinnerungsinhalten zu tun, die weit über individuelle Erfahrungshorizonte hinaus, gelegentlich auf Jahrhunderte zurückliegende Ereignisse verweisen. Aber sie bieten Projektions- und Identifikationsflächen für die Beheimatung in der Welt an.

Mit diesen drei genannten Gedächtnis-Dimensionen haben wir zu tun, wenn wir nach den kaum quantifizierbaren Grundlagen von Unternehmenskultur fragen. Im alltäglichen Treiben des Firmengeschehens konfigurieren sich Übereinkünfte, die der Aufsicht durch die übergeordneten Hierarchieebenen oft entzogen bleiben. Sie gedeihen gleichsam naturwüchsig und lassen den Unternehmen so etwas wie ein verstecktes Regelwerk zuwachsen. Daran kann eine offiziell verordnete Unternehmenskultur durchaus scheitern. Konzerne mit internationalem Wirkungshorizont haben damit zu tun, aber auch Unternehmen, die intern mit den beiden Qualitäten der horizontalen und der vertikalen Migration zu tun haben, also mit der Beheimatung in fremden geographischen oder in den sozialen Räumen, mit denen gesellschaftlicher Auf- oder Abstieg erlebt wird.

Da ich bislang die mittlere, unternehmensbezogene Ebene zu wenig gewürdigt habe, lassen Sie mich vielleicht stellvertretend für die Vielfalt an Experten für den Markt der Management-Theorien einen Namen nennen, weil in diesem Jahr der hundertsten Wiederkehr seines Geburtstages zu gedenken wäre. Peter Ferdinand Drucker hat in den Vierzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts als Mitbegründer dieser Disziplin die Managementlehre nachhaltig geprägt. Insbesondere das mit seinem Namen verbundene „Management by objectives“, das „Führen durch Zielvereinbarung“9 gilt auch 54 Jahre nach der Veröffentlichung seiner smarten Theorie als wesentliche Grundlage der arbeits- und organisationspsychologischen Theorie und Praxis. Der in Österreich geborene, 1933 nach England und 1937 in die USA emigrierte Drucker nennt fünf Kategorien, die eine Zielvereinbarung erfolgreich erscheinen lassen: Die Zielvereinbarung soll auf die jeweilige Unternehmenseinheit konkret bezogen sein, also spezifische Anforderungen formulieren. Sie soll klare Vorgaben angeben, die messbar sind. Es müssen aktiv beeinflussbare Ziele (achievable) sein, die innerhalb der organisatorischen Gegebenheiten realistisch, also umsetzbar sind, und die an Terminen festzumachen sind.

Drucker ist für seine pointierten Formulierungen bekannt. Im Zusammenhang mit dem Begriff der Unternehmenskultur ist vielleicht folgendes Zitat inspirierend:

„Company cultures are like country cultures. Never try to change one. Try, instead, to work with what you’ve got.“ 10

(Unternehmenskulturen sind wie Landeskulturen. Versuche nie, sie zu ändern. Versuche mit dem zu arbeiten, was du vorfindest.)

Als Drucker zwanzig Jahre alt war, in der beginnenden Weltwirtschaftskrise 1929 hat in Wien Sigmund Freud seine Ausführungen über „Das Unbehagen in der Kultur“ formuliert. Er schreibt in einer Fußnote:

„Besondere Befriedigung vermittelt die Berufstätigkeit, wenn sie eine frei gewählte ist, also bestehende Neigungen, fortgeführte oder konstitutionell verstärkte Triebregungen durch Sublimierung nutzbar zu machen gestattet. Und dennoch wird Arbeit als Weg zum Glück von den Menschen wenig geschätzt. Man drängt sich nicht zu ihr wie zu anderen Möglichkeiten der Befriedigung.“11

Dieses „Unbehagen in der Kultur“ am Ausgangspunkt und die „cultural studies“ als zeitgenössische Disziplin in den Geisteswissenschaften umreißen die Konjunktur des Kulturbegriffes in den akademischen Diskursen. Das Erkenntnisinteresse widmet sich hier vornehmlich dem Verständnis der Wirkkräfte in den Kulturen. Sie determinieren die Kulturen und sind gleichzeitig deren Hervorbringung, Resultat und Agent. Foucault hat sie als Dispositive bezeichnet.

Der Kulturbegriff erscheint eingespannt zwischen der nekrognostischen Kompetenz der Archäologen, die mit toter Materie zu tun haben einerseits und der Erfahrung auf der anderen Seite, dass daraus zuweilen eine Wiedergeburt resultiert. Der Ödipus aus Freuds Psychoanalyse mag uns dafür als Zeuge auftreten oder mehr noch Zarathustra, wenn er während der Konjunktur der dampfbetriebenen Technologien zum Leitbild des Nietzsche’schen Nihilismus gerät und in späterer Folge auch als filmmusikalisch etabliertes Zitat den Ursprung der Menschheit begleitet. (Sie werden erkannt haben, dass damit Kubricks „Odyssee 2001“ und der Strauß’sche Zarathustra gemeint ist.) Wiedergeburten dieser Art, Renaissancen im Umfeld retrospektiver Utopien mögen nicht zuletzt ihren Charme der Erkenntnis verdanken, dass die Welt nicht nur anders zu denken ist, als sie uns entgegenkommt, sondern dass sie auch anders erlebbar und lebbar sein könnte. Diese deviante Motivation mag uns noch einen Gedanken plausibel erscheinen lassen, den die Biologen der Beobachtung der Ameisen verdanken (ein problematischer Gedanke übrigens, der in der Verwechslung des Menschen mit dem Tier gelegentlich zu Missverständnissen geführt haben mag, der aber das Unternehmen als Habitat für Personen beschreibbar macht, deren erfolgreiche bzw. scheiternde Persönlichkeitsprofile kulturprägend in den Unternehmen wirksam sind).

Die Informatiker der Logistikbranche waren in den vergangenen Jahren von den kleinen Tieren angetan. Zu den Merkwürdigkeiten der „Ant Systems“ (Marco Dorigo) gehört eine einfache, aber wirksame Methode, über Geruchsmarkierungen den kürzesten Weg zu vorgefundener Nahrung zu definieren. Die Devianz, die Abweichung ist in diesem Zusammenhang überlebenswichtig, gilt es doch, vom markierten Weg abzugehen, um damit neue und ergiebige Futterplätze zu erschließen. Ohne die „Abweichler“ erschöpfte sich die Anstrengung der Nahrungssuche auf den bereits bekannten Wegen und führte zum Absterben des Staates. Die Beobachtungen der Biologen und die daran anknüpfenden Formalisierungen in den Informationswissenschaften sind dann unter anderem in der Netzwerktechnologie, der Neurobiologie, sogar in der bildenden Kunst aufgegriffen worden.

Nun sind kritische Phasen Blütezeiten für abweichende Dispositionen. Denn wenn im Geschäftsumfeld alle Alarmsysteme anzeigen, dass mit einem Fortkommen auf den gewohnten Routinen nicht zu rechnen ist, erzeugt die existenzielle Verunsicherung einen neuen Herdentrieb, der disparaten Bewegungen messianische Heilserwartungen unterjubelt. Auch das wird es wahrzunehmen gelten, um dem Lob der Abweichung mit Skepsis zu begegnen.

Doch nun zu jener späten Antwort auf das von Freud 1929 diagnostizierte Unbehagen auch an unbefriedigenden Arbeitsverhältnissen. Hier findet jenes wissenschaftliche Interesse einen Ansatz, der unter dem markttauglichen Begriff der „Glücksforschung“ Bestseller hervorzubringen versteht. Einen Gedanken aus der Fülle an Publikationen dazu darf ich Ihnen abschließend in Erinnerung rufen.

Mihály Csikszentmihályi hat im letzten Dezennium des vergangenen Jahrhunderts mit dem Flow-Begriff einen Terminus gefunden, der einen Zustand beschreibt, „bei dem man in eine Tätigkeit so vertieft ist, dass nichts anderes eine Rolle zu spielen scheint; die Erfahrung an sich ist so erfreulich, dass man es selbst um einen hohen Preis tut, einfach, um flow zu erreichen.“15

Sollten Sie Ihre Arbeit nicht als permanentes Flow-Erlebnis erleben, stimmt nach Csikszentmihályi das Anforderungsprofil Ihrer Tätigkeit nicht. Er nennt zwei bestimmende Variablen für die Qualität der Arbeitszufriedenheit – immerhin eine der wesentlichsten Kategorien für Unternehmenskultur. Csikszentmihályi spricht von Challange und Skills, von Anforderungen und Kompetenzen, also Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten. In den Übersetzungen sind die Skills auf Fähigkeiten verkürzt.

Zwischen diesen beiden Dimensionen der Anforderungen und der Fähigkeiten liegen die Parameter Ihrer Arbeitszufriedenheit. Sie langweilen sich, wenn Sie Ihre Kompetenz nicht einbringen können, weil Ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht gefordert werden. Oder Sie erleben jenen ungesunden Stress, der daraus resultiert, dass die Anforderungen weit jenseits Ihres Qualifikationshorizonts liegen. Oder der glückliche Fall liegt vor, wo mit den zunehmenden Fähigkeiten auch die Anforderungen steigen. In diesem schmalen Bereich, in dem die Anforderungen mit dem Qualifikationsniveau optimal korrespondieren, erleben wir jene Herausforderung, die aus dem notwendigen Job ein inspirierendes berufliches Umfeld erwachsen lässt.

Diese Dynamik aus wachsender Kompetenz und steigender Leistung ist in Gefahr, wenn Märkte wegbrechen und Arbeitsplätze abzubauen sind. Dazu hat mir ein Unternehmensberater erzählt, wie in einer Firma die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeit trotz der schwierigen Situation des Unternehmens auf „Dienst nach Vorschrift“ reduzierten. Sie hatten von Listen erfahren, auf denen das Personalmanagement allfällige Kündigungen vorbereitet, dafür Fehler auflistet und somit in Schuldzuweisungen verwandelt. Mit fatalen Folgen für die Unternehmenskultur – und die Überlebenschancen der Firma. Eine Studie der Kölner IGS Organisationsberatung gießt diese Beobachtung in Zahlen. 68 Prozent der Befragten spüren, „dass Vorgesetzte mit Verweis auf die wirtschaftliche Lage, böse Konkurrenten und anstehende Umstrukturierungen im Betrieb verstärkt Druck ausüben. Die Folge: 40 Prozent haben Angst, Fehler zu machen, jeder Zweite glaubt, eine Entlassung sowieso nicht beeinflussen zu können.“ 45 Prozent trauten ihrer Führungskraft nicht über den Weg, zitiert das Magazin Capital die Studie.16 Vertrauen ist aber die Grundlage für das Überleben in der Krise. Und die Grundlage für Vertrauen ist vorbehaltlose Kommunikation, auch über die wirtschaftliche Situation, die Pläne und Ziele des Unternehmens. WENN es eine gemeinsame Zukunft gibt, gilt es, sich dafür zu engagieren. Denn „Menschen wollen Leistung bringen . . . dürfen“.17 Diese Erfahrung des Unternehmensberaters Peter Gruber werden wohl alle bestätigen, die vom Flow-Erlebnis gekostet haben.

Das eingangs zitierte Gedicht von Erich Kästner über die Entwicklung der Menschheit hat noch zwei Strophen, die ich Ihnen bis jetzt vorenthalten habe. Ich darf Sie nachreichen:

Sie hören weit. Sie sehen fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung.
So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
noch immer die alten Affen

Womit ich Ihnen und mir, mitsamt unserem biologischen Erbe, mit dem wir uns zurechtfinden müssen und unseren anstrengenden Übungen auf dem Weg in glückliche Unternehmenskulturen viele Flow-Erlebnisse wünsche und Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit herzlich danke.

 

Literaturverzeichnis

  1. Drosdowski, G.; Grebe, P. (1963): Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache. Mannheim/Wien/Zürich: Bibliographisches Institut, Dudenverlag. Seiten 713 – 714.
  2. a.O.: Seite 376.
  3. http://mitglied.lycos.de/spangenberg/gedichte/kaest01.html
  4. http://www.oecd.org/document/1/0,3343,de_34968570_40377504_35358913_1_1_1_1,00.html
  5. Mitarbeiterzufriedenheit ist zum Beispiel an den Messgrößen Mitarbeiterfluktuation, Kündigungsrate, Krankenstand, Fehltage, Fehlerrate ablesbar. Sie resultiert auch aus der Unternehmenskultur, die ihrerseits durch den Kommunikations- und Führungsstil geprägt ist, und durch den Unternehmenserfolg. Zu den Messgrößen zählt auch das Customer Relationship Management (CRM) das die betriebswirtschaftliche Theorie und Praxis begleitet.
  6. Freud, S. (1954): Vergessen von Eindrücken und Vorsätzen. In: Freud, S.: Zur Psychopathologie des Alltagslebens – über Vergessen, Versprechen, Vergreifen, Aberglaube und Irrtum; Frankfurt/M, Hamburg: Fischer Bücherei. Seiten 116 ff.
  7. Assmann, J. (2004): Religion und kulturelles Gedächtnis. München: Verlag C.H. Beck. Seite 13.
  8. a.O.: Seite 19.
  9. Drucker, P. F. (1954): The Practice of Management. New York, Harper & Row; deutsche Ausgabe: Die Praxis des Managements. Düsseldorf: Econ, 1956, 1970 & 1998.
  10. Zitatensammlungen: http://www.marketingheadhunter.com/executive_search/2005/11/peter_drucker.html
    http://www.brainyquote.com/quotes/authors/p/peter_f_drucker.html
  11. Freud, S. (2006): Werkausgabe in zwei Bänden. Band 2, Anwendung der Psychanalyse, Herausgegeben und mit Kommentaren versehen von Anna Freud und Ilse Gubrich-Simitis. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuchverlag. Seite 379.
  12. a. O.: Seite 383.
  13. Valéry, P (1919): Die Krise des Geistes. In: Konersmann, R. (1998): Kulturphilosophie. Leipzig: Reclam Verlag. Seite 58.
  14. http://iridia.ulb.ac.be/~mdorigo/HomePageDorigo/
    ftp://iridia.ulb.ac.be/pub/mdorigo/journals/IJ.10-SMC96.pdf
  15. Csikszentmihalyi, M. (1992): Flow – Das Geheimnis des Glücks. Stuttgart: Klett-Cotta. Seite 16.
  16. http://www.capital.de/karriere/100021658.html
Gruber, P.: Kraftfeld Unternehmen. Menschen führen – Energien wecken. Wien: Amalthea Signum. Seite 23.
Johann Berger

E: johannberger@chello.at
T: 0043-676-416-06-20