Ausstellungseröffnung
Sehr geehrte Damen und Herren!
Unter dem Titel „veni vidi adventi“ versammelt der Kurator dieser Ausstellung, Professor Andras Kenessai, vier Positionen ungarischer Gegenwartskunst. Seine rätselhaften drei Worte laden uns wie ein metaphorischer Türöffner zur Begegnung mit der Malerei von András Bernat, Károly Klimó, Frigyes König und Gábor Záborszky ein.
Natürlich haben Sie schon längst erkannt, dass es ein unausgesprochenes Wort gibt, das „vici“. Es ist ersetzt worden. 47 Jahre, nachdem Caesar kam und sah und über den bosporanischen König Pharnakas in Zela siegte, erwartete eine dissidente Gruppe antihellenistischer Globalisierungsgegner am Beginn unserer Zeitrechnung eine messianische Ankunft. Wer immer auch in Kenessais „adventi“ angekommen sein mag, wird – noch dazu, während in Wien allenthalben Marktstände aufgebaut werden – einem Verweis auf diesen Advent nicht entkommen. Allerdings setzt Professor Kenessai mit dieser Assoziation die hier präsentierten Künstler einem Verdacht aus, welchen der Ende der Siebzigerjahre auch in Wien tätige Bazon Brock in griffige Worte gefaßt hat. Der wortgewaltige Professor versammelt Künstler, welche „die epistemologischen Prinzipien der Differenz leugnen, sich gegen jede Art von Vermittlung stellen und nach wie vor überzeugt sind, daß sie ihre Werke durch (einen) schöpferischen Akt aus dem Nichts produzieren (creatio ex nihilo) . . .“, diese Künstler also versammelt er unter dem Bergriff der „Gottsucherbande“.Zugegeben, es gibt Verdächtigungen, die unangenehmer wären, als dieser Brock’schen Kategorie zugerechnet zu werden. Und: Da mir keiner der Künstler ins Wort gefallen ist, um sich gegen meine bescheidenen Versuche einer Vermittlung zu stellen, ist diesem Verdacht auch schon der Boden entzogen.
Ein anderes „Ankommen“ wird wohl als gemeinsames Moment in den Biographien der hier vorgestellten Künstler wahrzunehmen sein, nämlich die vor zwanzig Jahren erlebte Öffnung der politischen Grenzen und der Zusammenbruch der realsozialistischen Systeme. Heißt das, die zeitgenössische Kunst wäre nun erst in Ungarn angekommen? Nein, die hatte in all ihren heterogenen Spielarten schon immer Heimatrecht in den Ateliers und den Köpfen der interessantesten – und meist nicht systemkonformen – Künstlerpersönlichkeiten Ungarns. Vier davon hat Andras Kenessai eingeladen.
András Bernáts Malerei feiert das Material der Farbe und den Duktus, um mit raffiniert inszenierten Lichtreflexen die betrachtenden Personen im wahrsten Sinn des Wortes zu bewegen. Denn erst im sich verändernden Blickwinkel erschließt sich der Charme seines Spieles mit Linie, Fläche, Raum und Zeit.
Károly Klimó wird oft als Inkarnation des Informel in ungarischer Gestalt beschrieben. Ein flüchtiger Blick auf seine Malerei würde dem zustimmen. Dazu ist aber – wie László F. Földényi anregt – die abwägende und von kultivierter Authentizität getragene Arbeitsweise Klimós ein Widerspruch. Vielleicht wäre für eine weiterreichende Interpretation seiner Arbeit eine Würdigung der Kulturgeschichte Südungarns hilfreich. Von dort kommt er her („veni“), die Region und die über sie hinwegziehenden Zeitläufte haben sich in die kollektiven Erinnerungen eingebrannt und versammeln osmanische und reformatorische Ikonoklasmen neben barocken und realsozialischen Bildprogrammen („vidi“). Das „adventi“, muß sich heute mit dem Verweis auf seine unverwechselbare Weiterführung des Informel bescheiden.
Kenessais Bezug auf die Antike mag von den Werkzyklen inspiriert sein, in denen sich Frigyes König als Grenzgänger zwischen Kunst, Archäologie, Anatomie und Forensik mit den Rekonstruktionen und Interpretationen von Fundstücken aus der Geschichte befaßt. So aktualisiert er die mimetische Tradition der abendländischen Malerei wenn er mit den Fragen nach der Konstruktion von Geschichte die Disziplin der Ästhetik in ihrem ursprünglichen Wortsinn als Wahr-Nehmung – aísthesis – beansprucht.
Gábor Záborszky zitiert mit dem auf die Fläche getropften, mit dem in scheinbar der informellen Spontaneität verpflichteten Geste aufgetragenen Material die Avantgarde der Nachkriegszeit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Doch die eruptive, die seelischen Abgründe auslotende Ambition des Action Painting ist bei Gábor Záborszky einer präzise kalkulierten und durch die metallische Anmutung monumental wirkenden Geste gewichen, wie sie auch im Werksegment der „Tore“ deutlich wird.
Nun wären dem Thema Andras Kenessais folgend und wie bei Klimó angedeudet, die kunst- und kulturgeschichtlichen Diskurse zu zitieren, welche die ungarische Gegenwartskunst vor dem Hintergrund ihrer Geschichte zu würdigen wissen. Es wäre über die Dissidenz gegenüber verordneter Kunstpolitik nachzudenken und über die Dissidenz gegenüber den Anmaßungen der Märkte. Doch vielleicht erlauben die rätselhaften drei Worte noch eine andere Deutung.
Vielleicht ist das Motto Professor Kennesais auch als Danksagung Ihnen gegenüber interpretierbar, sehr geehrte Damen und Herren, dass Sie nämlich gekommen – veni – sind, um die Kunst von vier bedeutenden Repräsentanten ungarischer Gegenwartskunst zu sehen – vidi – und den Künstlern aus Ungarn, dass sie den Weg und den Transport auf sich genommen haben, um hier, am Schwarzenbergplatz mit dem nachbarschaftlichen Gruß ihrer Kunst anzukommen – adventi.
E: johannberger@chello.at
T: 0043-676-416-06-20